Deutsche Rentenversicherung

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Bundesmittel zur Rentenversicherung: Verlässliche Zahlungszusagen notwendig

Ausgabe #8: September 2024 (Lesezeit: 13 Minuten)

Ein nicht unwesentlicher Teil des Bundeshaushaltes wird für die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung genutzt. Die Bundesmittel bessern allerdings nicht einfach die Finanzlage der Rentenversicherung auf, sondern dienen überwiegend der sachgerechten Finanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben. Wie haben sich diese Mittel entwickelt und was kann für die Zukunft erwartet werden?

Die Verteilung der Bundesmittel

Der Bund zahlt Gelder für verschiedene Zwecke an die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Der überwiegende Anteil fließt der allgemeinen Rentenversicherung zu: Drei Viertel der Bundesmittel entfallen auf die Bundeszuschüsse (siehe Grafik 1). Zusätzlich zahlt der Bund seit dem Jahr 1999 Beiträge für Kindererziehungszeiten an die allgemeine Rentenversicherung (15 Prozent der Bundesmittel). Mit diesen Beitragsmitteln werden einem Elternteil in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes im Versicherungskonto drei Entgeltpunkte gutgeschrieben.

Zudem zahlt die Rentenversicherung für Bund und Länder Leistungen, die sich aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR ableiten. Diese Leistungen werden vom Bund erstattet (5 Prozent der Bundesmittel).

Vier Prozent der Bundesmittel fließen an die knappschaftliche Rentenversicherung: Damit deckt der Bund das Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben im Alterssicherungssystem der Bergleute.

Den größten Posten der Bundesmittel an die gesetzlichen Rentenversicherungsträger machen im Jahr 2023 die Bundeszuschüsse zur allgemeinen Rentenversicherung aus (84,3 Milliarden Euro, 75%). Zusätzliche Erläuterungen finden Sie in der Lang-Variante. Die Bundesmittel an die gesetzlichen Rentenversicherungsträger 2023.

Lesehilfe: Im Jahr 2023 entfielen 84,3 Milliarden Euro der Bundesmittel auf die Bundeszuschüsse zur allgemeinen Rentenversicherung. Dies entspricht 75 Prozent der Bundesmittel.

Quelle: Rentenversicherung in Zeitreihen (2024).

Hinweis: Abweichungen von 100 Prozent sind rundungsbedingt. „Sonstige Erstattungen“ (0,1 Mrd. €) sind übersichtshalber nicht dargestellt.

Bundeszuschüsse finanzieren auch „nicht beitragsgedeckte Leistungen“

Welchem Zweck dienen die Bundeszuschüsse zur allgemeinen Rentenversicherung, dem größten Posten der Bundesmittel? Zum einen erfüllen sie seit Jahrzehnten eine grundsätzliche Sicherungsfunktion und gewährleisten die Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung auch unter sich verändernden ökonomischen und demografischen Rahmenbedingungen. Zum anderen finanzieren die Bundeszuschüsse nicht beitragsgedeckte Leistungen. Dies sind Rentenleistungen, die dem sozialen Ausgleich dienen und die nicht auf Beitragszahlungen beruhen. Dazu zählen etwa eine höhere Bewertung der Rentenzeiten in den neuen Bundesländern oder von Kindererziehenden mit unterdurchschnittlichem Arbeitsentgelt und vieles mehr. Die Höhe der Bundeszuschüsse sollte mindestens der Höhe dieser nicht beitragsgedeckten Leistungen entsprechen.

Die Abgrenzung der nicht beitragsgedeckten Leistungen ist gesetzlich nicht festgelegt. Einen Vorschlag für eine erweiterte Abgrenzung hat die Bundesregierung dem Haushaltsausschuss im Jahr 2004 vorgelegt.1 Auf dieser Basis hat die Deutsche Rentenversicherung Bund den Umfang der nicht beitragsgedeckten Leistungen errechnet. Danach betrugen die Ausgaben für diese Leistungen der allgemeinen Rentenversicherung im Jahr 2020 rund 112 Milliarden Euro in der erweiterten Abgrenzung (siehe Link).2 Im Vergleich dazu beliefen sich die Bundeszuschüsse auf 75 Milliarden Euro im selben Jahr.

Kurzum: Die Bundeszuschüsse bessern nicht einfach die Kassenlage der Rentenversicherung auf. Vielmehr dienen sie auch der sachgerechten Finanzierung von nicht beitragsgedeckten Leistungen, deren Auszahlung die Politik der Rentenversicherung übertragen hat.

Gesamtgesellschaftliche Aufgaben aus Steuermitteln finanzieren

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche neue nicht beitragsgedeckte Leistungen eingeführt. Zu nennen sind u. a. die abschlagsfreie, vorzeitige Altersrente (die sogenannte „Rente ab 63“ nach 45 Beitragsjahren, 2014), die stärkere Honorierung von Kindererziehungszeiten für Geburten vor dem Jahr 1992 („Mütterrente I und II“, 2014 und 2019), die Einführung des Grundrentenzuschlags (2021) oder die Ausweitung des Übergangsbereichs („Midi-Jobs“, 2022 und 2023). Die Übertragung solcher gesamtgesellschaftlichen Aufgaben an die Rentenversicherung ohne entsprechende Finanzierung über Bundesmittel führt letztendlich zu höheren Beitragssätzen. Sie würden damit überwiegend von den Beitragszahlenden in der gesetzlichen Rentenversicherung getragen. Nicht beitragsgedeckte Leistungen sollten jedoch von der Allgemeinheit und damit von allen Steuerzahlenden finanziert werden. Damit wird sichergestellt, dass auch nicht rentenversicherungspflichtige Personen – wie die meisten Selbstständigen und die Beamten – diese gesamtgesellschaftlichen Aufgaben mittragen.

Finanzierungsregeln vom Bund wiederholt kurzfristig ausgesetzt

Die Bundesregierung hat zur Haushaltskonsolidierung in den letzten drei Jahren wiederholt die gesetzlich vorgesehenen Zahlungen an die Rentenversicherung kurzfristig gekürzt. So wurden bereits im Jahr 2022 vier Sonderzahlungen in Höhe von je 500 Millionen Euro für die Jahre 2022 bis 2025 abgeschafft. Zudem wurde mit den Haushaltsfinanzierungsgesetzen für die Jahre 2023 und 2024 der Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss in den Jahren 2024 bis 2027 um 1,2 Milliarden Euro pro Jahr gekürzt. Im aktuellen Finanzplan bis 2028 sind nun weitere Kürzungen geplant, die sich auf insgesamt 2 Milliarden Euro in den Jahren 2025 bis 2027 belaufen. Zudem führen die mit dem Rentenpaket II vorgesehenen veränderten Fortschreibungsregeln dazu, dass die Bundeszuschüsse in den Jahren 2024 bis 2027 niedriger ausfallen werden. Dieser Effekt beläuft sich voraussichtlich kumuliert auf 0,8 Milliarden Euro. Insgesamt betragen die Kürzungen von Finanzierungszusagen des Bundes bei der Rentenversicherung damit rund 10 Milliarden Euro im Zeitraum 2022-2027. Die dargestellten Kürzungen bewirken, dass die Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung schneller abgebaut wird. Daher wird der Beitragssatz stärker steigen als ohne die Kürzungen.3 Im Ergebnis müssen also die Beitragszahlenden die gekürzten Mittel zusätzlich schultern.

Mit der nochmaligen Kürzung der Bundeszuschüsse setzt die Bundesregierung das Vertrauen in die Verlässlichkeit ihrer Zusagen aufs Spiel.

Der Anteil der Bundesmittel am Bruttoinlandsprodukt ist in den letzten 20 Jahren von 3,5 auf 2,7 Prozent gesunken. Zusätzliche Erläuterungen finden Sie in der Lang-Variante. Anteil der Bundesmittel an die gesamte Rentenversicherung am Bruttoinlandsprodukt

Lesehilfe: Im Jahr 2023 lag der Anteil der Bundesmittel an die gesamte Rentenversicherung am Bruttoinlandsprodukt bei 2,7 Prozent. Dieser Anteil lag im Jahr 2003 noch bei 3,5 Prozent, also 0,8 Prozentpunkte höher.

Quelle: Finanzplan des Bundes 2024 bis 2028, Frühjahrsprojektion der Bundesregierung 2024, Destatis 2024, Rentenversicherung in Zeitreihen 2024.

Hinweis: Geringfügiger Zeitreihenbruch ab dem Jahr 2024, Anstieg der Bundesmittel davon unbeeinflusst.

Kein übermäßiger Anstieg der Bundesmittel

In der öffentlichen Debatte werden zum Teil Befürchtungen geäußert, wonach die Bundesmittel zur Rentenversicherung rasant steigen. Man sollte sich jedoch nicht von einer Berichterstattung über neue Höchstwerte, die absolut in Milliarden Euro ausgedrückt sind, verunsichern lassen.

Sinnvoller ist ein Vergleich mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP), welches die Wirtschaftskraft Deutschlands abbildet. Der Anteil der an die Rentenversicherung gezahlten Bundesmittel ist in den vergangenen 20 Jahren von 3,5 Prozent im Jahr 2003 auf rund 2,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2023 gesunken. In den letzten beiden Jahrzehnten sind die Bundesmittel für die Rentenversicherung also weniger stark gewachsen als die nationale Wirtschaftsleistung. Gemäß den Vorausberechnungen der Bundesregierung im aktuellen Finanzplan ist mit einem leichten Anstieg von 2,7 Prozent im Jahr 2023 auf 3 Prozent im Jahr 2028 zu rechnen. Der Anteil der Bundesmittel am Bruttoinlandsprodukt bleibt in den kommenden Jahren vergleichsweise stabil.

Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn man den Anteil der Bundesmittel zur Rentenversicherung am Bundeshaushalt betrachtet. Dieser Anteil ist von 31 Prozent im Jahr 2004 auf zuletzt rund 25 Prozent im Jahr 2023 gefallen (siehe Grafik 3). Nach aktuellem Recht (ohne das Rentenpaket II) könnten die Bundesmittel zur Rentenversicherung relativ zum Bundeshaushalt von rund 25 Prozent im Jahr 2023 längerfristig auf rund 30 Prozent im Jahr 2035 ansteigen (zu Methodik und Datenbasis siehe Link). Damit läge der Anteil der Bundesmittel zur Rentenversicherung im Jahr 2035 – also nachdem die meisten „Baby-Boomer“ der geburtenstarken Jahrgänge in Rente gegangen sind - etwas höher als im Durchschnitt der vergangenen Jahre 2000-2019 (28 Prozent), d.h. vor der Corona-Krise4.

Berücksichtigt man zudem die mit dem geplanten Rentenpaket II verbundenen zusätzlichen Bundesmittel zur Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent, so wird der Anteil der Bundesmittel am Bundeshalt im Jahr 2035 voraussichtlich bei 31 Prozent liegen. Der Anteil der Bundesmittel an die Rentenversicherung am Bundeshaushalt fällt durch das Rentenpaket II im Vergleich zum Status Quo also wahrscheinlich um rund einen Prozentpunkt höher aus. Damit läge der Anteil der Bundesmittel am Bundeshalt im Jahr 2035 auf vergleichbarem Niveau wie im Jahr 2004, obwohl dann deutlich mehr Menschen eine Rente beziehen werden.

Im Jahr 2023 lag der Anteil der Bundesmittel an die Rentenversicherung am Bundeshaushalt bei rund 25 Prozent. Dieser Anteil lag im Jahr 2004 noch bei 31 Prozent, also 6 Prozentpunkte höher. Anteil der Bundesmittel zur Rentenversicherung am Bundeshaushalt

Lesehilfe: Im Jahr 2023 lag der Anteil der Bundesmittel an die Rentenversicherung am Bundeshaushalt bei rund 25 Prozent. Dieser Anteil lag im Jahr 2004 noch bei 31 Prozent, also 6 Prozentpunkte höher.

Quelle: Bundeshaushalte 2000-2025, Finanzplan des Bundes 2024 bis 2028, Rentenversicherungsbericht 2023, Finanzschätzung der DRV Bund Juli 2024.

Fazit

In den vergangenen 20 Jahren ist der Anteil der Bundesmittel an die Rentenversicherung am Bundeshaushalt von 31 Prozent auf 25 Prozent gefallen. In den kommenden Jahren wird der Anteil der Bundesmittel am Bundeshaushalt voraussichtlich auf einem ähnlichen Niveau liegen wie zum Beginn des Jahrtausends - trotz des Renteneintritts der geburtenstarken Jahrgänge und der geplanten Stabilisierung des Rentenniveaus.

Mit den Bundesmitteln werden nicht einfach die Finanzen der Rentenversicherung aufgebessert. Vielmehr dienen sie der sachgerechten Finanzierung von nicht beitragsgedeckten Leistungen durch den Bund. Damit soll sichergestellt werden, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben der Rentenversicherung von der Allgemeinheit getragen werden. Die Einführung neuer nicht beitragsgedeckter Leistungen (z.B. des Grundrentenzuschlags) bei zeitgleicher Kürzung der Bundeszuschüsse belastet die Beitragszahlenden übermäßig und wird zukünftig zu einem stärkeren Beitragssatzanstieg führen.

Die Bundesregierung hält mit den wiederholten, haushaltspolitisch motivierten Kürzungen ihre Finanzierungszusagen nicht ein. Dies weckt Zweifel an der langfristigen Verlässlichkeit ähnlicher Finanzierungszusagen der Politik.

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1 Die Abgrenzung, welche Leistungen der Rentenversicherung nicht durch Beiträge gedeckt sind und dem sozialen Ausgleich dienen, unterliegt politischen Werturteilen. So existieren unterschiedliche Abgrenzungsvorschläge der nicht beitragsgedeckten Leistungen. Siehe bspw. auch Sachverständigenrat (2005).

2 Die DRV Bund erstellt aktuell eine neue Abschätzung für das Basisjahr 2023, deren Veröffentlichung für Ende 2024 geplant ist. Künftig soll das BMAS einmal pro Legislaturperiode dem Haushaltsausschuss des Bundestages zur Höhe der nicht beitragsgedeckten Leistungen berichten.

3 Grob geschätzt entsprechen die Kürzungen in Höhe von rund 9 Milliarden Euro aktuell einem halben Beitragssatzpunkt.

4 Die Bundeshaushalte 2020 und 2021 stiegen durch mehrere Nachtragshaushalte zur Finanzierung der Hilfsmaßnahmen in der Corona-Krise sprunghaft an. Deshalb fällt der Anteil der Bundesmittel an die Rentenversicherung am Bundeshalt für diese Jahre wesentlich niedriger aus als im Zeitraum der Jahre 2000 bis 2019. Die Jahre der Corona-Krise sollten nicht als Vergleichszeitraum herangezogen werden, da es sich hierbei um eine außergewöhnliche Notsituation handelte.

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