Deutsche Rentenversicherung

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Mind the (Gender) Gap – Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen im Mehrsäulensystem

Ausgabe #4: 03/2024 (Lesezeit: 13 Minuten)

Bei den Alterseinkommen gibt es deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Wie wird sich dieser Gender Pension Gap (GPG) in Zukunft entwickeln? Und wie wirkt sich der Anwartschaftsmix aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge auf den künftigen GPG aus? Daten der Versicherten aus der Studie Lebensverläufe und Altersvorsorge (LeA) geben Hinweise.

Soziale Elemente in der GRV verringern Geschlechterungleichheiten deutlich

  • Der Gender Pension Gap wird als relative Differenz der durchschnittlichen Anwartschaften zwischen Männern und Frauen bestimmt. Beispiel: Hätten die Frauen 500 € und die Männer 1.000 €, so läge der Unterschied bei 50% (= 1- 500€ /1000€).
  • In der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) ist diese Lücke der Anwartschaften aus Beschäftigung in Ostdeutschland deutlich geringer als im Westen, da die Frauen im Osten häufiger einer vollzeit(nahen) Erwerbstätigkeit nachgehen.
  • Die sozialen Ausgleichselemente in der GRV (z.B. für Kindererziehung) reduzieren die Unterschiede in den Anwartschaften zwischen Männern und Frauen deutlich.
  • Der Gender Pension Gap fällt für die GRV-Anwartschaften inklusive sozialer Elemente bei den jüngeren Geburtsjahrgängen geringer aus.

Die Anwartschaftslücke zwischen Männern und Frauen in der gesetzlichen Rentenversicherung reduziert sich durch die sozialen Ausgleichselemente (z.B. für Kindererziehung) deutlich. Details in der Lang-Variante. Grafik 1: Die Anwartschaftslücke zwischen Männern und Frauen in der gesetzlichen Rentenversicherung reduziert sich durch die sozialen Ausgleichselemente (z.B. für Kindererziehung) deutlich.

Quelle: Lebensverläufe und Altersvorsorge (LeA); Basisjahr 2016; Stichprobengröße: 7.496
Personen mit GRV-Anwartschaft und ohne Anwartschaft in einem weiteren Regelsicherungssystem (z.B. Beamtenversorgung).
* Details zur Methode in Box 1.

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Soziale Elemente in den drei Säulen unterschiedlich stark ausgeprägt

Das Alterssicherungssystem in Deutschland ist weitgehend erwerbszentriert ausgestaltet. Insbesondere bei der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) spiegeln sich Unterschiede in den Erwerbsverläufen in den Alterseinkommen wider. Denn wer mehr oder länger Beiträge einzahlt, erhält im Alter eine höhere Rente. In der GRV gibt es neben dieser Beitragsäquivalenz jedoch auch soziale Elemente, die einen Ausgleich schaffen z.B. für Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen, wenn keine oder nur geringe eigene Beiträge gezahlt werden können. Frauen profitieren von den sozialen Elementen in der GRV deutlich häufiger als Männer, da sie immer noch den überwiegenden Anteil der Sorgearbeit verrichten.

Seit Anfang der 2000er Jahre wird auf das staatlich geförderte Zusammenspiel von GRV mit der zweiten, betrieblichen (BAV)1 und der dritten, privaten Säule der Vorsorge (PAV)2 gesetzt, um den Lebensstandard im Alter zu sichern. Auch in diesen Säulen gibt es vereinzelt Beispiele für soziale Elemente: In der BAV wurde 2019 mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz der Förderbetrag für Geringverdiener eingeführt. In der PAV ist vor allem die 2002 eingeführte Riester-Rente mit ihrer Zulagenförderung zu nennen. Hier profitieren insbesondere Geringverdiener und Familien mit Kindern.

Rente als Spiegelbild des Erwerbslebens

Zunächst werden die GRV-Anwartschaften betrachtet, die sich ausschließlich aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ergeben. Bei diesen Anwartschaften ohne soziale Ausgleichselemente fällt der GPG weiterhin sehr hoch aus, vor allem in Westdeutschland (siehe blaue Balken in Grafik 1). Bei Frauen dämpfen Berufsentscheidungen, Lohnstrukturen, Teilzeitarbeit, Minijobs, sowie lange Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Kindererziehung oder Pflege weiterhin die Anwartschaften (Klammer 2020: 116ff.).

Es zeigt sich aber auch ein großer Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland. Bei den Geburtsjahrgängen 1957 bis 1961 ist der GPG mit 48% in Westdeutschland mehr als doppelt so groß wie in Ostdeutschland mit 22%. Die regionalen Unterschiede fallen bei der jüngeren Altersgruppe etwas geringer aus. Sie bleiben jedoch erheblich, da sich das Erwerbsverhalten der Frauen in den beiden Landesteilen weiterhin unterscheidet. Westdeutsche Frauen sind nach wie vor seltener in Vollzeit oder vollzeitnah erwerbstätig.

Soziale Elemente in der GRV verringern Geschlechterungleichheiten deutlich

Durch die sozialen Elemente fällt der GPG bei den GRV-Gesamtanwartschaften deutlich geringer aus. In Westdeutschland reduziert sich der GPG bei der älteren Kohorte von 48% auf 31% und bei der jüngeren Kohorte sogar von 42% auf 11% (siehe grüne Balken in Grafik 1). Bei den Jüngeren ist der betrachtete Erwerbsverlauf noch kürzer und die sozialen Elemente machen daher einen höheren Anteil an den Gesamtanwartschaften aus. Mit zunehmendem Alter und damit einem höheren Anteil von Anwartschaften aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung wird sich dieser Effekt etwas verringern.

In Ostdeutschland führen die sozialen Elemente in der GRV sogar dazu, dass sich der GPG bei den jüngeren Jahrgängen umkehrt (- 6%). Der negative Wert bedeutet, dass die Anwartschaften der Frauen höher sind als die der Männer. Dies erklärt sich unter anderem durch den Befund, dass in Ostdeutschland jüngere Männer (Jahrgänge 1972 bis 1976) stärker von Arbeitslosigkeit betroffen waren als ältere Männer (Jahrgänge 1957 bis 1961).

Box 1: Die Methode – ihre Stärken und Grenzen

Zur Berechnung des Gender Pension Gaps (GPG) wird die relative Differenz zwischen den durchschnittlichen eigenen (d.h. nicht abgeleiteten) Anwartschaften der Männer zu denen der Frauen gebildet. Bei einer durchschnittlichen monatlichen Anwartschaft von 500 € für Frauen und 1.000 € für Männer läge der GPG bei 50% (= 1- 500€ /1000€).
Der Indikator stellt die Unterschiede in den Erwerbsverläufen (bspw. Arbeitsmarktintegration, Erwerbsumfang und – unterbrechungen sowie geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Berufswahl und in der Lohnhöhe) zwischen Männern und Frauen und deren Bewertung durch das Alterssicherungssystem komprimiert dar. Der Indikator allein eignet sich jedoch nicht als sozialpolitische Zielgröße. Der GPG sagt nichts über die Höhe der Alterseinkommen aus. So spielen für die Versorgungssituation im Alter weitere Einkommensquellen und der Haushaltskontext eine zentrale Rolle. Der GPG ermöglicht damit vor allem Aussagen über den Grad der (künftigen) ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen im Alter.

Große geschlechtsspezifische Ungleichheiten bei den Anwartschaften in der zusätzlichen Altersvorsorge

  • Die zusätzliche Altersvorsorge in der zweiten, betrieblichen (BAV) und der dritten, privaten (PAV) Säule ist überwiegend freiwillig. Zunächst ist wichtig zu wissen, wer einen Vertrag besitzt. Danach ist relevant, wie hoch die Anwartschaften der beteiligten Personen ausfallen. Soziale Ausgleichselemente fehlen hier überwiegend.
  • In Westdeutschland ist die BAV-Beteiligung der Männer branchenbedingt um 21 % höher als die der Frauen.
  • Bei den BAV-Anwartschaften zeigt sich ein hoher Gender Pension Gap.
  • Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei der Beteiligung an der PAV fallen eher gering aus. Frauen sorgen hier auf Grund der staatlichen Förderung häufiger über private Riester-Verträge vor.
  • Bei den Anwartschaften der PAV fällt der Gender Pension Gap jedoch auf Grund der geringeren Einzahlungen der Frauen am höchsten aus.
  • Eine veränderte Gewichtung zwischen den drei Säulen der Alterssicherung wirkt sich auf den Gender Pension Gap aus, da soziale Elemente nicht in allen drei Säulen gleichermaßen vorhanden sind.

Bei der privaten Altersvorsorge fällt der Gender Pension Gap der Anwartschaften am höchsten aus. Details in der Lang-Variante. Grafik 2: Bei der privaten Altersvorsorge fällt der Gender Pension Gap der Anwartschaften am höchsten aus.

Quelle: Lebensverläufe und Altersvorsorge (LeA); Basisjahr 2016; Stichprobengröße: BAV 1.501, PAV 1.776;
Personen mit GRV-Anwartschaft, ohne Anwartschaft in einem weiteren Regelsicherungssystem (z.B. Beamtenversorgung) und mit Vertrag in der BAV und/oder PAV.

* Details zur Methode in Box 1.

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Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Beteiligung an der zusätzlichen Altersvorsorge

Die betriebliche (BAV) und private Altersvorsorge (PAV) ist in Deutschland meist freiwillig. In einem ersten Schritt ist daher von Relevanz, wer überhaupt teilnimmt; erst dann geht es in einem zweiten Schritt um die Höhe der gezahlten Beiträge, wie kontinuierlich eingezahlt wurde und welche Anwartschaften daraus resultieren. Bei der BAV hängt die Beteiligung unter anderem davon ab, in welchem Beruf, welcher Branche oder in welcher Betriebsgröße jemand beschäftigt ist (AV 2019: S. 27). Bei der PAV haben neben der Sparfähigkeit individuelle Faktoren wie das Finanzwissen oder das persönliche Netzwerk einen Einfluss darauf, ob ein Vertrag abgeschlossen wird.

In Westdeutschland schließen Männer häufiger als Frauen einen Vertrag in der BAV ab. Bei den hier betrachteten Jahrgängen liegt die BAV-Beteiligung der Männer um 21 Prozent höher als die der Frauen. Diese großen Unterschiede in der Beteiligung sind vor allem darauf zurückzuführen, dass westdeutsche Frauen häufiger in kleinen Betrieben im Dienstleistungssektor beschäftigt sind, die kaum Zugang zu BAV bieten. Männer in Großbetrieben in tarifgebundenen Branchen weisen dagegen deutlich häufiger eine BAV auf. In Ostdeutschland erwerben dagegen weniger Männer als Frauen einen Vertrag in einer BAV. Ostdeutsche Frauen sind häufiger als Männer im öffentlichen Dienst beschäftigt, in dem die BAV verpflichtend ist.

In der PAV, zu der auch Riester-Verträge zählen, fallen die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Beteilung insgesamt geringer aus als in der BAV. Dies ist vor allem auf den Effekt der staatlichen Riester-Förderung zurückzuführen: Frauen haben deutlich öfter als Männer einen Riester-Vertrag abgeschlossen.

Box 2: Evidenzbasierte Alterssicherungspolitik braucht eine integrierte Datenbasis

Die hier vorgestellten Analysen basieren auf Daten der Studie „Lebensverläufe und Altersvorsorge“ (LeA) aus dem Jahr 2016. Dafür wurden Befragungsdaten (z.B. über das Arbeitszeitvolumen) mit Daten aus den Versicherungskonten der GRV individuell gekoppelt. Durch diese Datenverknüpfung in LeA können beispielsweise Aussagen über die Teilzeiterwerbstätigkeit von Frauen als Ursache für einen höheren GPG in Westdeutschland getroffen werden. Eine solche Analyse wäre allein mit GRV-Routinestatistiken nicht möglich, da diese den Arbeitszeitumfang nicht erheben. Derzeit stehen lediglich für das System GRV umfangreiche und regelmäßige Daten aus der Routinestatistik zur Verfügung. Entscheidungen, die das gesamte, auf mehreren Säulen aufbauende Alterssicherungssystem betreffen, müssten aber Daten aus allen Säulen einbeziehen. Um im Interesse der Versicherten evidenzbasierte und damit belastbare Entscheidungen im komplexen Feld der Altersvorsorge zu ermöglichen, sollte eine umfassende, regelmäßige und vor allem integrierte Datenbasis geschaffen werden.

Große geschlechtsspezifische Ungleichheiten bei den Anwartschaften in der zusätzlichen Altersvorsorge

Bei den Versicherten mit BAV zeigt sich in Westdeutschland für die ältere Kohorte ein deutlicher GPG von 43% (siehe rote Balken in Grafik 2). Bei der jüngeren Kohorte ist er geringer, beträgt aber immer noch ein Viertel. In Ostdeutschland stehen die älteren Frauen vergleichbar da wie die Männer (-4%). Bei den jüngeren Jahrgängen beträgt der GPG dagegen 16%.

Werden schließlich die Anwartschaften in der PAV betrachtet (siehe blau-lila Balken in Grafik 2), zeigt sich im Vergleich der Säulen der größte GPG. Er liegt bei mindestens 31% (jüngere Kohorte im Ostdeutschland). Die Frauen der älteren Kohorte in Westdeutschland erwarten im Durchschnitt sogar weniger als die Hälfte (56%) der Anwartschaften der Männer. Geringe Beiträge der Frauen führen dazu, dass auch die gezielte Riester-Förderung den GPG in der PAV nicht substanziell reduzieren kann. Im Endeffekt zeigt sich gerade bei der am stärksten individualisierten Säule PAV der größte GPG.

Fazit

Im Mehrsäulensystem hat die individuelle Zusammensetzung der Anwartschaften einen signifikanten Einfluss auf den GPG. Bei den GRV-Anwartschaften gehen die Unterschiede insbesondere im Westen zurück, da Frauen häufiger erwerbstätig sind. Zudem reduzieren die sozialen Elemente der GRV den GPG merklich. Die Ungleichheiten in der zusätzlichen betrieblichen und privaten Altersvorsorge sind stärker ausgeprägt, da soziale Elemente weitgehend fehlen. Die Riester-Förderung erhöht bei den Frauen zwar die Verbreitung der PAV, kann den GPG bei den Anwartschaften aber nicht deutlich verringern.

Eine veränderte Gewichtung zwischen den drei Säulen der Alterssicherung, wie beispielsweise jüngst vom Sachverständigenrat für Wirtschaft gefordert, wirkt sich auch auf Geschlechterungleichheiten aus. Denn soziale Elemente – von denen weitestgehend Frauen profitieren – sind in der privaten und betrieblichen Altersvorsorge kaum vorhanden. Bei der Weiterentwicklung des Alterssicherungssystems gilt es daher, auch diese Wechselwirkungen in den Blick zu nehmen.

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1 Zur betrieblichen Altersversorgung zählen hier die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und die betriebliche Altersversorgung in der Privatwirtschaft.

2 Zur privaten Altersvorsorge zählen hier Riester- und Rürup-Verträge, sonstige Rentenversicherungen sowie kapitalbildende Lebensversicherungen.

 

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