Deutsche Rentenversicherung

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Riester-Rente: Ist ein Auszahlungsplan Alterssicherung?

Ausgabe #7: Juli 2024 (Lesezeit: 12 Minuten)

In der aktuellen Diskussion um die Weiterentwicklung der geförderten, privaten Altersvorsorge werden befristete Auszahlungspläne diskutiert. Die Pflicht zur Zahlung lebenslanger Renten soll dabei entfallen. Welche Folgen könnten sich dadurch für die Einkommenssituation im Alter ergeben? Und was bedeutet dies für das Alterssicherungssystem aus drei Säulen?

Folgen einer Abschaffung der Verrentungspflicht

  • Die geförderte Riester-Rente wurde 2001 eingeführt, um das sinkende Rentenniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung zu kompensieren.
  • Aktuell wird diskutiert, die Pflicht zur Zahlung lebenslanger Renten bei Riester-Verträgen abzuschaffen.
  • Versicherte hätten dann die Option, ihre Riester-Renten nur über einen befristeten Zeitraum – bspw. bis zum 85. Lebensjahr – auszahlen zu lassen.
  • Mit einem Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr könnten zunächst höhere jährliche Leistungen gezahlt werden. Ab dem Alter 85 hingegen würden dann keine Auszahlungen mehr erfolgen. Die lebenslange Absicherung würde damit wegfallen.

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Die von der Bundesregierung eingesetzte "Fokusgruppe private Altersvorsorge" empfiehlt u.a. die Pflicht zur Zahlung lebenslanger Renten in der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge abzuschaffen.1 Künftig soll es damit möglich sein, Leistungen nur bis zum 85. Lebensjahr – also nur für rund 20 Jahre – auszuzahlen. Dieser Vorschlag der Fokusgruppe soll gegebenenfalls noch in dieser Legislaturperiode in einem Gesetzentwurf berücksichtigt werden.

Im aktuellen Recht können sich Versicherte privater Altersvorsorgeverträge u.a. für einen Auszahlungsplan entscheiden. Spätestens ab dem 85. Lebensjahr muss bei staatlich geförderten Produkten, wie der Riester-Rente, jedoch eine lebenslange Zahlung erfolgen (AltZertG)2. Die Fokusgruppe schlägt vor, diese verpflichtende Verrentung aufzuheben, da sie mit hohen Kosten verbunden ist. Mit einem Auszahlungsplan könnten höhere jährliche Leistungen bis zum 85. Lebensjahr gezahlt werden. Ab dem Alter 85 erhalten die Versicherten in diesem Fall jedoch kein Einkommen mehr aus dem Altersvorsorgevertrag.

Bei der Wahl zwischen einem Auszahlungsplan und einer lebenslangen Rente spielt die verbleibende Lebenserwartung eine wichtige Rolle. Niemand weiß jedoch genau, wie lange er noch leben wird. Dadurch ist unsicher, wie lange der Lebensunterhalt im Alter finanziert werden muss. In der Versicherungsmathematik spricht man in diesem Zusammenhang vom „Langlebigkeitsrisiko“. Die Absicherung dieses Risikos ist eine unabdingbare Komponente von kollektiven Alterssicherungssystemen. Individuell ist es nicht effizient möglich, das Langlebigkeitsrisiko abzusichern. Nur über eine kollektive Absicherung gelingt es, mit vergleichsweise geringen Beträgen Vorsorge für das finanzielle Risiko eines langen – oder sogar sehr langen – Lebens zu treffen.3

Mehr als die Hälfte würde Auszahlungsplan überleben

  • Sechs von zehn Frauen könnten einen Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr überleben.
  • Bei den Männern gilt dies für vier von zehn Personen.
  • Ein Verzicht auf die Zahlung lebenslanger Renten könnte folglich für viele Menschen zu einem Einkommensverlust im hohen Alter führen.

Entsprechend der Lebenserwartung der Jahre 2020 bis 2022 ist zu erwarten, dass von 100 Frauen im Alter von 65 Jahren 60 Frauen ihren 85. Geburtstag erleben werden. Zusätzliche Erläuterungen finden Sie in der Lang-Variante. Grafik 1: Die kumulierte Überlebenswahrscheinlichkeit der Jahre 2020 bis 2022 ab dem Alter 65 nach Geschlecht.

Lesehilfe: Entsprechend der Lebenserwartung der Jahre 2020 bis 2022 ist zu erwarten, dass von 100 Frauen im Alter von 65 Jahren 60 Frauen ihren 85. Geburtstag erleben werden. 12 Frauen der 100 Frauen im Alter 65 werden sogar mindestens 95 Jahre alt.

Quelle: Destatis (2023), eigene Berechnungen, Periodensterbetafeln 2020 bis 2022

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Aktuelle Daten zeigen, dass über die Hälfte der heutigen Rentenneuzugänge 85 Jahre und älter wird. Das heißt, jeder zweite Neurentner würde einen Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr überleben. Diese Rentner müssten danach ohne Einkommen aus dem privaten Altersvorsorgevertrag auskommen, wenn sie sich für einen befristeten Auszahlungsplan entschieden haben.

Zur genaueren Veranschaulichung werden in der dargestellten Grafik die Überlebenswahrscheinlichkeiten von Männern und Frauen im Alter von 65 Jahren auf Basis der jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes dargestellt. Ausgehend vom Renteneintrittsalter von 65 Jahren4 würden 60 von 100 Frauen und 43 von 100 Männern einen Auszahlungsplan bis zum Alter von unter 85 Jahren überleben. Betrachtet man den Durchschnitt von Frauen und Männern zusammen, würde dies auf über die Hälfte der Neurentner zutreffen. Hierbei handelt es sich noch dazu um konservative Schätzungen, da ein künftiger Anstieg der Lebenserwartung unberücksichtigt bleibt. Durchschnittlich würden Frauen nach Ablauf des Auszahlungsplans im Alter 85 noch gut 6 Jahre länger leben, Männer noch rund 5 Jahre. Jede achte Frau würde das Alter 95 erreichen und damit den Auszahlungsplan um 10 oder mehr Jahre überleben.

Die Lebenserwartung wird unterschätzt

Die verbleibende Lebenserwartung bei Renteneintritt wird von den Menschen im Durchschnitt unterschätzt (siehe z.B. IW Köln). Viele Personen könnten daher auch die Wahrscheinlichkeit einen Auszahlungsplan zu überleben, zu gering einschätzen und sich daher gegen lebenslange Rentenzahlungen entscheiden.5 Insgesamt kann dies zu einer unzureichenden Absicherung im hohen Alter führen.

Möglicher Einkommensverlust im hohen Alter

Durch den Wegfall einer lebenslangen Riester-Rente ab dem Alter 85 kommt es zu einem Einkommensverlust. Dies kann zu Einschränkungen des Lebensstandards für die Betroffenen im hohen Alter führen.6 Der potenzielle Einkommensverlust ab dem Alter 85 fällt dabei in einen Lebensabschnitt, in dem häufiger zusätzliche Ausgaben getragen werden müssen: Zum einen nimmt die Pflegebedürftigkeit mit dem Alter stark zu (Destatis) und schon heute wird ein Fünftel der anfallenden Pflegekosten durch private Ausgaben finanziert (BZgA, Tabelle 49). Zum anderen sind gut über die Hälfte (56%) der Hochaltrigen (85+) alleinlebend, meist auf Grund von Verwitwung. Dadurch können Kosten – bspw. für Wohnen – nicht mit einem Partner geteilt werden, was zu höheren Ausgaben pro Kopf führt. Unter anderem auf Grund des häufigeren Alleinlebens fällt die Armutsrisikoquote im hohen Alter (80+) mit 22 % derzeit deutlich höher aus als in der Gesamtbevölkerung (15 %).7

 Ausreichende Lebensstandardsicherung im Drei-Säulen-Modell?

  • Mit der Einführung der Riester-Rente sollte das sinkende Rentenniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung kompensiert werden.
  • Die Altersrenten der gesetzlichen Rentenversicherung werden jedoch ein Leben lang gezahlt.
  • Die Riester-Rente ohne lebenslange Leistungen kann daher die Kürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vollständig kompensieren.

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Mit dem Vorschlag der Fokusgruppe wird das politische Ziel der Lebensstandardsicherung aus drei Säulen in der Alterssicherung in Frage gestellt. Seit der Einführung des Altersvermögensergänzungsgesetzes im Jahr 2001 soll die geförderte private Altersvorsorge die Leistungskürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung kompensieren und damit die graduelle Absenkung des Rentenniveaus ausgleichen.  Im Zeitraum 2003 bis 2024 ist das Rentenniveau von 53 % auf 48 % gesunken.8 Die Altersleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung werden jedoch ein Leben lang gezahlt. Eine Riester-Rente ohne lebenslange Leistungen kann daher den Anspruch, die Niveausenkungen in der gesetzlichen Rentenversicherung für alle Versicherten zu kompensieren, nicht erfüllen.

Fazit

Die Einkommenssicherung über den gesamten Ruhestand ist ein wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge. Diese Zielsetzung wird mit dem Vorschlag der Fokusgruppe aufgeweicht. Mehr als die Hälfte der Versicherten könnte einen Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr überleben. Ein Wegfall von Leistungen der privaten Altersvorsorge nach dem 85. Lebensjahr kann damit für viele Menschen zu einem Einkommensverlust im hohen Alter führen. Bislang sollte die Lebensstandardsicherung über die drei Säulen der Alterssicherung erfolgen. Diese Zielsetzung wird in Frage gestellt, wenn grundsätzlich nur noch zwei Säulen verpflichtend lebenslange Zahlungen vorsehen.

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1 Siehe „Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge“ 2023, Seite 7 sowie detaillierter Abschnitt 8.2.

2 § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4a AltZertG

3 Individuell müssten deutlich höhere Beträge zurückgelegt werden, um eine sehr hohe Lebenserwartung abzusichern – im Vergleich zur Prämienhöhe einer kollektiven Versicherung. Möglich ist die geringere Versicherungsprämie durch den Risikoausgleich zwischen kurz- und langlebigen Versicherten.

4 Das Alter von 65 Jahren entspricht nahezu dem tatsächlichen Renteneintrittsalter für Altersrenten von 64,4 Jahren im Jahr 2022 . Die Ergebnisse würden sich bei der Wahl des Alters 67 nicht signifikant unterscheiden.

5 Wird die Verrentung freiwillig, könnten sich die Auszahlungen der Lebensversicherungen aufgrund von Selektionseffekten deutlich verschlechtern. Dabei spielt es eine Rolle, dass einzelne Individuen abschätzen können, ob sie eher unter- oder überdurchschnittlich leben werden (bspw. auf Grund von schwerer Krankheit). Dies steht nicht im Widerspruch zur obigen Aussage, dass im Durchschnitt der gesamten Bevölkerung eine Unterschätzung der Lebenserwartung erfolgt. Studien deuten darauf hin, dass sich bei freiwilliger Verrentung häufiger Personen mit einer überdurchschnittlichen Lebenserwartung für die Auszahlung einer lebenslangen Rente entscheiden (Mc Carthy und Mitchell). Dieser Selektionseffekt führt zu höheren Kosten für die Lebensversicherer, die diese voraussichtlich dann über geringere Rentenzahlungen an die Altersvorsorgenden überwälzen. Weniger Menschen würden dann eine Lebensversicherung abschließen. Damit wäre die Absicherung des Langlebigkeitsrisikos in der dritten Säule zusätzlich gemindert.

6 Dieser Einkommensverlust könnte theoretisch über (höhere) Ersparnisse vor dem Alter 85 oder zusätzliche Einkommen ab dem Alter 85 kompensiert werden. Dabei ist fraglich, ob die Menschen diesen Einkommensverlust frühzeitig absehen und ihre Ersparnisbildung erhöhen können. Auch eine Steigerung des (Erwerbs-)Einkommens zur Kompensation der Einkommensverluste ist im hohen Alter schwer umsetzbar.

7 In die Berechnung der Armutsrisikoquote fließt neben dem Einkommen auch die Haushaltsgröße mit ein. Zu Daten und Berechnung siehe Fey und Wagner.

8 Auf Grund von statistischen Revisionen gibt es Einschränkungen in der Vergleichbarkeit dieser Daten.

Lang-Variante als pdf-Dokument

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