Deutsche Rentenversicherung

Gesamtgesellschaftliche Aufgaben aus Steuermitteln finanzieren

Ausgabe #10: September 2025 (Lesezeit: 12 Minuten)

Wozu dienen die Bundeszuschüsse an die gesetzliche Rentenversicherung? Welche nicht beitragsgedeckten Leistungen schlagen besonders zu Buche?

Die Bundeszuschüsse erfüllen mehrere Aufgaben

Die Bundeszuschüsse1 dienen überwiegend der sachgerechten Finanzierung nicht beitragsgedeckter („versicherungsfremder“) Leistungen. Hierbei handelt es sich um Leistungen, für die keine entsprechenden Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt werden. Der Staat nutzt mit diesen Leistungen die gesetzliche Rentenversicherung als Instrument des sozialpolitischen Ausgleichs, um Personen in bestimmten Lebenssituationen zu fördern (z. B. Anrechnung von Kindererziehungszeiten) oder bestimmte Gruppen zu begünstigen (z. B. Ausgleichsmaßnahmen für Zeiten mit geringen Verdiensten, wie der Grundrentenzuschlag). Die Bundeszuschüsse erfüllen zudem eine allgemeine Sicherungsfunktion, indem sie die Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung auch unter sich verändernden ökonomischen und demografischen Rahmenbedingungen gewährleisten.

Die Kosten für die - der Rentenversicherung von der Politik übertragenen - gesamtgesellschaftlichen Aufgaben bedürfen der Finanzierung durch die Allgemeinheit und damit aller Steuerzahlenden und sollten nicht allein von der Versichertengemeinschaft getragen werden. Um die Aufgaben zu erfüllen, sollten die Bundeszuschüsse daher mindestens die Höhe der nicht beitragsgedeckten Leistungen erreichen.

Ausgaben für nicht beitragsgedeckte Leistungen übersteigen die Bundeszuschüsse

Die Abgrenzung der nicht beitragsgedeckten Leistungen ist gesetzlich nicht festgelegt. Einen Vorschlag zur Definition der nicht beitragsgedeckten Leistungen hat die Bundesregierung dem Haushaltsausschuss im Jahr 2004 vorgelegt.2 Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat auf dieser Basis ihren Umfang geschätzt. Danach betrugen die Ausgaben für diese Leistungen im Jahr 2023 rund 124 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu beliefen sich die Bundeszuschüsse auf etwa 84 Milliarden Euro im selben Jahr.3 Um die nicht beitragsgedeckten Leistungen der Rentenversicherung sachgerecht zu finanzieren, hätten die Bundeszuschüsse im Jahr 2023 um rund 40 Milliarden Euro höher ausfallen müssen. Diese Unterfinanzierung entsprach circa 12 Prozent der Rentenausgaben.

Die nicht beitragsgedeckten Leistungen beliefen sich im Jahr 2023 auf rund 124 Milliarden Euro und die Bundeszuschüsse lagen im Vergleich dazu bei rund 84 Milliarden Euro.

Lesehilfe: Die nicht beitragsgedeckten Leistungen beliefen sich im Jahr 2023 auf rund 124 Milliarden Euro und die Bundeszuschüsse lagen im Vergleich dazu bei rund 84 Milliarden Euro.

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund 2025

Hinweis: Abschätzungen der Höhe der nicht beitragsgedeckten Leistungen wurden von der Deutschen Rentenversicherung Bund für die Jahre 2017, 2020 und 2023 vorgenommen, nicht jedoch für die dazwischenliegenden Jahre.

Die fünf größten nicht beitragsgedeckten Leistungen

Die fünf finanziell bedeutendsten nicht beitragsgedeckten Leistungen der Rentenversicherung umfassen im Jahr 2023 zusammen fast 80 Prozent aller nicht beitragsgedeckten Leistungen.

„Höherwertung“ der Ost-Entgelte (36,4 Mrd. €)

Bei der Rentenberechnung wurden beitragspflichtige Entgelte aus der ehemaligen DDR bzw. aus den neuen Bundesländern bis 2024 „hochgewertet“. So sollen die Unterschiede im Lohnniveau zwischen Ost und West aufgrund des andauernden wirtschaftlichen Angleichungsprozesses ausgeglichen werden. Der Unterschied zwischen den tatsächlichen Ost-Entgelten und ihrer fiktiven Bewertung – und damit höheren Rentenanwartschaft - ergibt den Umfang der „Höherwertung“ und somit dieser nicht beitragsgedeckten Leistung.

Es ist damit zu rechnen, dass der ermittelte Betrag in den nächsten Jahren nicht wesentlich sinken wird, weil auch kommende Rentenneuzugänge noch nennenswerte Rentenanteile aus „hochgewerteten“ Ost-Beiträgen haben werden. Mit Vereinheitlichung des Rentenrechts in Ost und West ab dem Jahr 2025 entstehen aber keine zusätzlichen Anwartschaften mehr.

Kindererziehungszeiten für Geburten vor 1992 (20,3 Mrd. €)

Derzeit werden für Geburten vor 1992 pro Kind 2,5 Jahre an Kindererziehungszeiten in der Rentenberechnung jeweils so berücksichtigt, als ob in diesen 2,5 Jahren der Durchschnittsverdienst aller Versicherten erzielt worden wäre. Diese Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten wurden in der Vergangenheit schrittweise eingeführt und erhöht („Mütterrente I und II“). Aktuell entspricht dies einer Leistungshöhe (brutto) von etwas über 100 Euro für jedes vor 1992 geborene Kind.4

Im aktuellen Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ wird die Anerkennung der Kindererziehung als „gesamtgesellschaftliche Leistung“ hervorgehoben. Die Regierung betont hier, dass deren Leistung folgerichtig aus Steuermitteln zu finanzieren sei. Jedoch sollte die im Koalitionsvertrag befürwortete sachgerechte Finanzierung der Kindererziehungszeiten nicht nur für die geplante Ausweitung der Kindererziehungszeiten um einen weiteren halben Entgeltpunkt für vor 1992 geborene Kinder gelten („Mütterrente III“). Vielmehr sollten alle Entgeltpunkte für vor 1992 geborene Kinder vollständig von der Allgemeinheit über Steuermittel finanziert werden, also auch die vergangenen Leistungsausweitungen durch die „Mütterrente I und II“, für die die Mittel nicht ausreichend erhöht wurden. Dies gilt hier umso mehr, da Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten auch Personen zugutekommen, die z.B. in berufsständischen Versorgungswerken versichert oder selbständig tätig sind und keine Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen.

Splitting übersteigender Anteil der Witwen-/Witwerrenten (18,7 Mrd. €)

Die Witwen-/Witwerrente hat den Charakter einer Unterhaltsersatzfunktion für den hinterbliebenen Partner. Ehepartner können sich – anstelle einer Witwen-/Witwerrente – nach dem Renteneintritt beider Partner oder nach Tod des Ehepartners für ein Rentensplitting entscheiden. Dabei werden die Anwartschaften, die während der Ehezeit erworben wurden, gleichmäßig zwischen den Partnern aufgeteilt, so dass jeder Partner am Ende den gleichen Anspruch aus der Ehezeit hat. Die Witwen-/Witwerrente fällt in der Regel höher aus als eine „Splittingrente“. Die Differenz zwischen der üblicherweise höheren Witwen-/Witwerrente und der „Splittingrente“ wird als der nicht beitragsgedeckte Anteil angesehen.

Altersrenten vor Regelaltersgrenze (ohne vollen Abschlag) (13,3 Mrd. €)

Unter bestimmten Voraussetzungen können Versicherte ihre Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze ohne vollen Abschlag (z. B. Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach 45 Jahren) in Anspruch zu nehmen. In der Regel mindert bei einem Rentenbezug vor der Regelaltersgrenze ein Abschlag dauerhaft die Rentenzahlung. Diese versicherungsmathematischen Abschläge kompensieren die Mehrausgaben, so dass diese nicht zu Mehrkosten für die Versichertengemeinschaft führen. Entfallen diese Abschläge, verursacht dies in der gesetzlichen Rentenversicherung Zusatzkosten. Als nicht beitragsgedeckt wird bei den abschlagsfreien Renten daher der Rententeil gewertet, um den die vorzeitige Altersrente über einen Abschlag hätte gemindert werden müssen.

Anrechnungszeiten (8,9 Mrd. €)

Anrechnungszeiten bieten einen sozialen Ausgleich für Zeiten, in denen Versicherte auf Grund von bestimmten Lebenssituationen (z. B. Arbeitslosigkeit, Schulausbildung, Arbeitsunfähigkeit oder Mutterschutz) keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt haben. Rentenrechtlich werden diese Zeiten berücksichtigt, um negative Auswirkungen auf die Rente abzumildern. Sie schließen Lücken in den Erwerbsbiografien, werden zum Teil bei der Rentenberechnung bewertet und steigern somit die Rentenhöhe.

Fazit

Mit den Bundeszuschüssen werden – entgegen der verbreiteten Auffassung – nicht einfach die Finanzen der Rentenversicherung aufgebessert und sie decken auch kein Defizit in der Rentenversicherung. Vielmehr dienen sie der sachgerechten Finanzierung nicht beitragsgedeckter Leistungen durch den Bund. Mit diesen Leistungen erfüllt die Rentenversicherung sozialpolitische Entlastungs- und Ausgleichsmaßnahmen, die ihr von der Politik übertragen wurden und für die keine entsprechenden Beiträge an die Rentenversicherung gezahlt werden bzw. wurden.

Im Jahr 2023 überstiegen die nicht beitragsgedeckten Leistungen die Bundeszuschüsse um rund 40 Mrd. Euro. Gesamtgesellschaftliche Aufgaben bedürfen der Finanzierung aus Steuermitteln und nicht aus Beitragseinnahmen der Rentenversicherung. Damit wird sichergestellt, dass alle Steuerzahlenden diese gesamtgesellschaftlichen Aufgaben mittragen. Insofern sind verlässliche Zahlungen bedeutsam, so wie die Bundesregierung sie aktuell auch in ihrem Kabinettsbeschluss im Rahmen des Rentenpakets 2025 z. B. mit der Erstattung der Mehraufwendungen für die „Mütterrente III“ vorsieht.

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1 Die Bundeszuschüsse sind Teil der Bundesmittel an die gesetzliche Rentenversicherung. Im Jahr 2024 machen die Bundeszuschüsse mit 87,8 Mrd. Euro den größten Anteil der Bundesmittel aus. Die Bundeszuschüsse fließen an die allgemeine Rentenversicherung. Die gesetzliche Rentenversicherung gliedert sich in die knappschaftliche und in die allgemeine Rentenversicherung. Die allgemeine Rentenversicherung ist der Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung, in dem die meisten abhängig Beschäftigten sowie bestimmte Selbstständige pflichtversichert sind.

2 Die Abgrenzung, welche Leistungen der Rentenversicherung nicht durch Beiträge gedeckt sind und dem sozialen Ausgleich dienen, unterliegt politischen Werturteilen. So existieren unterschiedliche Abgrenzungsvorschläge der nicht beitragsgedeckten Leistungen. Siehe bspw. auch Sachverständigenrat (2005).

3 Die drei Bundeszuschüsse werden unterschiedlich nach gesetzlich festgelegten Regeln fortgeschrieben. Der allgemeine Bundeszuschuss und der Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss werden mit der Lohnentwicklung und der zusätzliche Bundeszuschuss mit der Entwicklung des Aufkommens aus der Mehrwertsteuer fortgeschrieben. Insbesondere erfolgt die Festlegung der Höhe der Bundeszuschüsse in einem Jahr unabhängig von der Entwicklung der Ausgaben in dem Jahr und unabhängig davon, ob für die allgemeine Rentenversicherung in dem jeweiligen Jahr ein Defizit oder ein Überschuss ausgewiesen wird.

Für Geburten nach 1991 werden pro Kind drei Jahre Kindererziehungszeiten angerechnet, die in der Rentenberechnung jeweils so berücksichtigt werden, als ob in diesen drei Jahren der Durchschnittsverdienst aller Versicherten erzielt worden wäre. Hierfür zahlt der Bund seit dem Jahr 1999 Beiträge an die Rentenversicherung.

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