Ähnlicher Startzeitpunkt in die Kapitaldeckung
Sowohl Schweden als auch Deutschland sahen sich in den 80er und 90er Jahren mit Prognosen einer zunehmend alternden Gesellschaft konfrontiert. Um die Folgen des demografischen Wandels für die umlagefinanzierten Rentensysteme abzumildern, entschieden sich beide Länder etwa zur gleichen Zeit für die Einführung einer kapitalgedeckten Zusatzvorsorge. So verabschiedete der schwedische Riksdag 1998 die Einführung der Prämienrente, Deutschland folgte im Jahr 2001 mit der Riester-Rente. Damit enden die Parallelen, denn Deutschland und Schweden schlugen in Bezug auf die Ausgestaltung der kapitalgedeckten Rente gänzlich verschiedene Wege ein.
Prämienrente verpflichtend, Riester-Rente freiwillig
Das schwedische Alterssicherungssystem basiert seit dieser grundlegenden Reform auf einem öffentlich verwalteten einkommensbezogenen Sicherungssystem bestehend aus zwei Komponenten, der umlagefinanzierten Einkommensrente (inkomstpension) und der kapitalgedeckten Prämienrente (premiepension), sowie einer quasi-obligatorischen betrieblichen Altersversorgung. Alle Arbeitnehmer, Beamte und Selbstständige sind in das öffentliche System aus Einkommens- und Prämienrente einbezogen. Etwa 90 Prozent der Beschäftigten sind zudem in vier branchenweiten Versorgungswerken betrieblich abgesichert. Eine steuerfinanzierte, bedarfsgeprüfte Garantierente (garantipension) fungiert als Basisabsicherung für Menschen, die keinen oder nur einen geringen Anspruch auf eine Einkommensrente geltend machen können. Individuelle private Altersvorsorge spielt kaum eine Rolle.
Tabelle 1: Organisation der kapitalgedeckten Alterssicherung
Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund 2025, eigene Darstellung
Die Prämienrente ist als Teil der staatlichen Alterssicherung obligatorisch und in der 1. Säule angesiedelt. Dies fand international Beachtung, da nun in einem verpflichtenden staatlichen System sowohl umlagefinanzierte als auch kapitalgedeckte Elemente zusammengebracht wurden. Die deutsche Riester-Rente hingegen ist freiwillig und wird überwiegend über private Anbieter abgewickelt. Sie ist somit vorwiegend in der 3. Säule, der privaten Altersvorsorge, verankert. Eine Inanspruchnahme der Riester-Förderung im Rahmen der betrieblichen 2. Säule, ist ebenfalls möglich. Nur 27 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Alter zwischen 25 und unter 67 Jahren sorgen am Ende des Jahres 2023 im Rahmen eines Riester-Vertrags vor (rentenupdate #9).
Arbeitnehmer tragen Riester-Beiträge zusätzlich
Im Rahmen der Neuausrichtung des schwedischen Alterssicherungssystems wurde auch die Risikoabsicherung in der 1. Säule umfangreich reformiert. So ist die Hinterbliebenenabsicherung deutlich eingeschränkt und der Erwerbsminderungsschutz in andere Zweige der Sozialversicherung ausgelagert worden. Die dadurch freiwerdenden Beitragsmittel eröffneten Spielräume für die Finanzierung der Prämienrente, sodass die Arbeitnehmerbeiträge bei Einführung der Prämienrente unverändert bleiben konnten. Das öffentliche Rentensystem wird mit einem festen Beitragssatz von 18,5 Prozent des „pensionspflichtigen Einkommens“ finanziert: 16 Prozent für die umlagefinanzierte Einkommensrente, 2,5 Prozent für die kapitalgedeckte Prämienrente. In der gesamten 1. Säule, und damit auch in der Prämienrente, tragen die Arbeitgeber ca. 60 Prozent der Beiträge und die Arbeitnehmer ca. 40 Prozent. Arbeitnehmer in Schweden können ihre Beiträge in der Regel vollständig und direkt von der Einkommenssteuerschuld abziehen. Eine „negative Steuer“, also eine Auszahlung bei geringer Steuerschuld, ist nicht möglich. Entsprechend können die Arbeitnehmerbeiträge als weitgehend steuerfinanziert bewertet werden. Staatliche Zulagen wie in Deutschland, von denen insbesondere Personen mit geringem Einkommen profitieren, werden in Schweden nicht gezahlt.
Tabelle 2: Beitragsfinanzierung und Förderstruktur
Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund 2025, eigene Darstellung
In Deutschland orientiert sich die Höhe des Riester-Beitrags, bestehend aus Eigenbeitrag und staatlicher Zulage, an vier Prozent des Bruttoeinkommens. Die Beitragslast liegt zunächst allein bei den Arbeitnehmern und erfolgt zusätzlich zum Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung. Durch die Zulagen werden die Beiträge je nach Fallkonstellation nahezu vollständig durch den Staat getragen. Von den Zulagen profitieren insbesondere Personen mit geringem Einkommen und Familien mit Kindern. Der Kreis der förderberechtigten Personen1 richtet sich an denjenigen aus, die von den Niveauabsenkungen in der 1. Säule betroffen sind. Darüber hinaus sind die Arbeitnehmerbeiträge als Sonderausgabenabzug von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abziehbar, nicht jedoch – wie in Schweden – von der Steuerschuld.
Schweden setzt auf Qualitäts- und Kostenvorgaben sowie Standardfonds AP7 Såfa
Die Verwaltung der Prämienrente in der Anspar- und Auszahlungsphase, einschließlich des Einzugs der Beiträge, der Kontenführung sowie der Verrentung und Auszahlung der Leistung, übernimmt die staatliche Rentenbehörde (Pensionsmyndigheten) als zentrales Durchführungsorgan. Sie vermittelt damit direkt – und nicht über einen privaten Finanzdienstleister – zwischen Versicherten und Fondsanbietern. Durch die staatliche Alterssicherung „aus einer Hand“ konnten die administrativen Kosten deutlich reduziert werden.
Für die Anlage ihrer Prämienrenten-Beiträge können Versicherte in Schweden aus einer Liste von ca. 400 Fonds auswählen und so ggfs. eine eigene Anlagestrategie verfolgen. Eine wichtige Rolle nimmt hierbei die 2022 neu gegründete unabhängige Behörde für Auswahl und Qualitätskontrolle der zugelassenen Fonds (Fondtorgsnämnden) ein. Sie organisiert offene, wettbewerbliche Ausschreibungen, in denen Fondsanbieter nach klar definierten Kriterien zu Kosten, Transparenz, Nachhaltigkeit und Verwaltungsstruktur ausgewählt werden. Die Einhaltung der vereinbarten Kriterien wird stetig überprüft und regelmäßige Neuausschreibungen stellen sicher, dass die verfügbaren Fonds mit Blick auf die Vorgaben aktuell und von hoher Qualität sind.
Tabelle 3: Produkte und Verrentung
Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund 2025, eigene Darstellung
Nach Auswahl des Produktes melden die Versicherten ihre Entscheidung der staatlichen Rentenbehörde Pensionsmyndigheten. Diese bündelt die Nachfragen, kauft die Fondsanteile für alle Versicherten bei den Anbietern und führt für jeden Versicherten ein Konto über seine Anteile. Erfolgt keine aktive eigene Anlageentscheidung, fließt der Beitragsanteil für die Prämienrente in den Standardfonds AP7 Såfa. Durch dieses datenschutzsensible Vorgehen wissen die Fondsanbieter nicht, wer bei ihnen Anteile hält.
AP7 Såfa – Staatlich verwalteter Standardfonds mit hoher Rendite
AP7 Såfa ist kein eigenständiger Fonds, sondern ein Fondsportfolio aus einem Aktienfonds (AP7 Aktiefond) und einem Rentenfonds (AP7 Räntefond), dessen Anlageentscheidungen durch eine staatliche, aber von der Pensionsmyndigheten ebenso unabhängige Rentenagentur AP7 (Sjunde AP-fonden, häufig auch bezeichnet als staatlicher Fonds AP7 oder AP7 Fonds) getroffen werden. Die Verteilung zwischen Aktien- und Rentenfonds basiert auf dem Alter der einzelnen Vorsorgesparer in einem Lebenszyklus-Ansatz. Der Grundgedanke dahinter ist, dass das Risiko vor und nach der Pensionierung schrittweise reduziert werden soll. Der AP7 Fonds umfasst neben AP7 Såfa weitere, für die Versicherten wählbare Fonds u.a. mit unterschiedlichen Risikoprofilen.
Der AP7 Såfa gilt als überaus erfolgreich. Ende 2024 verblieben rund 63 Prozent der Versicherten in diesem Standardfonds.
Auch sinkende Prämienrenten-Zahlungen möglich
Die Prämienrente wird immer als lebenslange Rente ausgezahlt. Das Langlebigkeitsrisiko wird dabei nach dem Versicherungsprinzip geteilt, so dass sich kürzere und längere individuelle Lebenserwartungen im Kollektiv ausgleichen. Die Teilnahme an der Prämienrente ist verpflichtend, daher treten keine Selektionseffekte auf und so kann die Lebenserwartung bei der Verrentung auf die Gesamtbevölkerung bezogen werden. Die Verrentung des angesparten Kapitals erfolgt durch die schwedische Rentenbehörde mit der erwarteten durchschnittlichen ferneren Lebenserwartung der jeweiligen Geburtskohorte. Dadurch fallen die Kosten der Verrentung insgesamt geringer aus als in Deutschland.
In der Prämienrente Schwedens kann bei der Auszahlung zwischen einer traditionellen Versicherung mit Überschussbeteiligung und einer Fondsversicherung gewählt werden:
- Bei der traditionellen Versicherung werden alle individuellen Fondsanteile zu Rentenbeginn verkauft und von der schwedischen Rentenbehörde verwaltet sowie risikoarm investiert. Die Rente setzt sich aus einem garantierten, konservativ kalkulierten, also niedrig angesetzten Betrag und einer jährlich schwankenden Überschussbeteiligung zusammen.
- Wird keine aktive Wahl getroffen, erhalten die Versicherten automatisch eine fondsgebundene Rente mit einem höheren Rendite- und Risikoprofil. Vier von fünf Beziehenden der Prämienrente sind auch in der Rentenbezugsphase fondsgebunden versichert. Bei der fondsgebundenen Versicherung werden jedes Jahr nur die individuellen Fondsanteile verkauft, die für die Rente für dieses Jahr benötigt werden. Die Rente wird jährlich neu berechnet und schwankt mit der Kapitalmarktentwicklung.
Riester-Rente bietet Beitragsgarantie bei Kostentransparenz
In Deutschland erfolgen Verwaltung und Vertrieb der Riester-Rente, einschließlich des Einzugs der Beiträge, der Kontenführung und der Rentenauszahlung dezentral durch die jeweiligen privaten Anbieter. Lediglich die staatliche Förderung wird gebündelt durch die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) koordiniert. Riester-Produkte müssen zertifiziert sein und unterliegen Vorgaben der Kostentransparenz. Gebühren seitens der Anbieter von Riester-Produkten unterliegen der Höhe nach keiner Begrenzung. So sind es auch die hohen Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten der Riester-Rente, die öffentlich immer wieder kritisch hinterfragt werden. Dazu ist der Erhalt der Beiträge zu Beginn der Rentenphase vorgeschrieben. Das bedeutet, dass der Versicherte zwar grundsätzlich das Kapitalmarktrisiko trägt, aber dies durch den Beitragserhalt begrenzt wird. Ein Standardprodukt wie den schwedischen AP7 Såfa gibt es nicht.
Die Verrentung erfolgt in Deutschland durch die jeweiligen privaten Anbieter unter Nutzung eigener Sterbetafeln, welche sich auf das Kollektiv des Versicherungsprodukts beziehen. Entsprechend liegen die unterstellten Lebenserwartungen regelmäßig über denjenigen der Gesamtbevölkerung und die Rentenzahlungen fallen geringer aus.
Fazit
Im politischen und medialen Umfeld gilt die schwedische Prämienrente häufig als erfolgreiche Alternative zur Riester-Rente und als Vorbild, wenn es um kapitalgedeckte Zusatzvorsorge in der Alterssicherung geht. Bei näherer Betrachtung wird deutlich: Die Vorteile der Prämienrente sind eng mit der Systematik der öffentlichen Altersvorsorge Schwedens verknüpft, insbesondere mit der verpflichtenden Beteiligung aller Erwerbstätigen, sowie der Steuer- und Beitragsausgestaltung. Darüber hinaus sind die transparente und kosteneffiziente Verwaltungsstruktur der Prämienrente sowie die einfache Produktauswahl und der attraktive staatlich verwaltete Standardfonds mit Qualitäts- und Kostenvorgaben zu nennen. Das schwedische Modell kann somit wertvolle Impulse für eine Weiterentwicklung kapitalgedeckter Elemente im deutschen Alterssicherungssystem geben, beispielsweise auch im Kontext der aktuell diskutierten Frühstart-Rente.
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1 Die staatliche Förderung erhalten Pflichtmitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland und der Alterssicherung der Landwirte, Beamte, Richter sowie Soldaten. Zudem können Ehe- oder Lebenspartner von förderberechtigten Riester-Sparern einen Riester-Vertrag abschließen.